ich wähle den hasen

welches wort wäre denn das richtige zu einem sonntag zwischen menschen auf der flucht vor den toren der eu und mundschutz-ausverkauft-schildern vor apotheken? rede ich mit menschen über die flüchtlingssituation, sprechen wir über mitleid und helfen-wollen auf der einen seite und angst davor, die herausforderung nicht bewältigen zu können auf der anderen. rede ich mit menschen über den corona-virus, dann sprechen wir über panikmache und medienhype auf der einen und aufrichtiger besorgnis auf der anderen seite. unsicherheit, das höre ich in vielen gesprächen heraus… und angst. meine tochter war eine zeit lang abends von großen ängsten geplagt – so sehr, dass sie nicht einschlafen konnte. ich suchte irgend ein mittel, dass ihr helfen könnte. eines nachmittags lief mir dabei ein stoffhase über den weg. genau genommen entdeckte ich den flauschigen hüpfer im regal einer kleinen spielwarenhandlung. ein hase? braucht es gegen die angst nicht etwas großes uns starkes wie einen löwen der die angst mit kraft und gebrüll vertreiben kann? ich kann nun aus erfahrung sagen: nein, braucht es nicht. ein hase, das symboltier der angst schlechthin, kann helfen und im arm eines kleinen kindes ein echter angstvertreiber werden. die kleine angsterfüllte nimmt den hasen in den arm und… die angst darf verschwinden. unglaublich! aber geht das auch bei mir? statt das starke und große zu suchen, sich mit dem kleinen und nahen verbünden? statt den brüllenden löwen vor zu schicken, der trotz kraft auch angsteinflößend ist, den hasen wählen? in jesu worten „vom weltgericht“ (die bibel, nach matthäus 25) fragen die ‚gerechten‘: „herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben? oder durstig… oder krank… ? und der könig antwortet: was ihr einem von diesen geringsten getan habt, habt ihr mir getan.“ der blick der ‚gerechten‘ lag auf den menschen direkt vor ihnen, den so genannten ‚nächsten‘. sie taten, was sie tun konnten: das nahe-liegende. aber sie haben etwas getan. indem sie das nahe-liegende getan haben, haben sie sich für das große eingesetzt. ich als einzelner muss nicht den löwen raus holen und gegen das ganze große angstmachende kämpfen. ich darf den hasen wählen. ich muss nicht gegen den flüchtlingsstrom kämpfen. ich kann in aller kleinheit beim mittagstisch, im weltcafé oder sonst wo dem einen menschen, der auf seiner flucht vor leid, krieg, not, verfolgung hierher gekommen ist sagen; „ich heiße alex – und wie heißt du?“. ich kann in aller ruhe den tag über immer wieder gründlich meine hände waschen und in die armbeuge husten. das ist alles so klein, das ist alles so un-löwig. aber ich kann etwas tun, was mir keine angst macht. von daher: ich wähle den hasen!


wort zum sonntag in der backnanger kreiszeitung (bkz) zum 07.03.2020

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